Skip to main content

100 Jahre Combustin

Grundlage für den unternehmerischen Anfang der Familie Winter/Eulitz, war das Kalkvorkommen auf den Fluren in den sächsischen Dörfern Schönau und Grünau, der Heimat der Gründerfamilien.  Nach 1870 boomte die Wirtschaft, damit verbunden war der Aufstieg der  Bauindustrie, die den Kalk benötigte. Die Bauern besaßen viele kleine Kalksteinbrüche, so auch die Familie Winter. Als sich die Großbauernfamilien Winter und Schauer zusammentaten und Friedrich Ernst (Fritz) Winter Henriette Schauer heiratete, konnte die Grundlage für die industrielle Ausbeutung des Kalks gelegt werden. Es wurde ein Ringofen gebaut, der die ununterbrochene Herstellung von gebranntem Kalk ermöglichte. Nachdem die Kalksteinverwertung zurückging, beschloss Fritz Winter Chemikalien herzustellen, die als Hilfsmittel für die riesigen Papierfabriken gebraucht wurden: Schwefelsäure zum Holzaufschluss und Aluminiumsulfat zur Papierhärtung. Es kam zur Gründung der chemischen Fabrik Fritz Winter in Fährbrücke.

In der Fabrik war ein Betriebschemiker beschäftigt, der die Heilsalbe Combustin erfand. Damals waren Brandwunden an der Tagesordnung, da in den Betrieben und im Haushalt zumeist mit offenem Feuer hantiert wurde. Die Salbe wurde Combustin genannt, nach dem lateinischen Wort combustere. Als Salbengrundlage benutze er Vaseline, als Wirkstoffe Zinkoxid, Amylum und Unestisin, ein neues Schmerzmittel.

Die Geburtsstunde des Combustinwerkes war im Jahre 1919. Damals wurde Fritz Winters Chemische Fabrik  zwischen  seinen beiden Kindern Friedrich Max (Fritz) Winter (*1866) und Fanny Eulitz (*1864, geborene Winter) aufgeteilt.

Fanny Eulitz, geb. Winter, *1864

Fanny Eulitz mit Enkelkindern Fritz
Eulitz jun und Gerta Eulitz

Fritz Winter produzierte weiterhin Chemikalien, die Familie Eulitz aber hatte das Präparat Combustin gekauft und gründete 1919 die Firma Combustinwerk Eulitz & Co. Fährbrücke in Sachsen.

1921 übernahm Fannys Sohn Fritz Eulitz die Verantwortung im Combustinwerk. Fritz Eulitz hatte im ersten Weltkrieg als Soldat gedient, war studierter Land- und Forstwirt, Hobby-Ornithologe und passionierter Jäger.  Er soll davon geträumt haben, nach Südamerika auszuwandern um dort Farmer zu werden. Doch der Familienbetrieb in Sachsen ging vor.

Das Geschäft entwickelte sich stürmisch. Das Angebot wurde erweitert durch die Combustin Brand-Binde, Combustin Baby Creme, Combustin mit Lebertran, Combustin Puder und Creme Escham für den Export nach Klein Asien.

1931 kaufte Fritz Eulitz sen. die sächsische Burg Scharfenstein und den dazugehörigen Forst. Auf dem Gelände errichtete er eine Vogelschutzwarte.  Eulitz hatte keinen dauerhaften Wohnsitz auf Scharfenstein, er nutzte die Burg für Veranstaltungen,  einige Räume waren als Feriendomizil für die Combustin- Mitarbeiter hergerichtet.

Fritz Eulitz sen.
Produktion im Combustinwerk
Produktion im Combustinwerk
Fritz Eulitz und Ehefrau Johanne vor Burg Scharfenstein
Familie Eulitz: Tochter Gerta (*1914), Sohn Fritz Wilhelm (*1913) Johanne und Fritz Eulitz sen.
Combustin-Betriebsausflug nach Scharfenstein

Der Betrieb wurde  auch während des zweiten Weltkriegs fortgeführt. Die Combustin Salbe wurde jetzt in einer speziellen „Kriegsrezeptur“ hergestellt.

Die zunehmenden Schwierigkeiten bei der Produktion im Jahr 1945 schildert der damalige Prokurist Baumann in einem Brief an Fritz Eulitz (sen.)

Der zweite Weltkrieg prägte das weitere Schicksal der Familie Eulitz.

Fritz Wilhelm Eulitz (*1913) studierte – auf Drängen des Vaters - am Lehrstuhl von Geheimrat Heinrich Wieland Chemie, als der 2. Weltkrieg ausbrach. Fritz diente als junger Hauptmann  in der Wehrmacht, bis er 1944 als junger Wissenschaftler uk. gestellt wurde und noch vor Kriegsende nach München zurückkehrte. Das Chemiestudium dürfte damals sein Leben gerettet haben. Der Schwarzhandel mit Damenbinden sicherte das Überleben in den ersten Nachkriegszeit.

Dann traf die Familie ein schwerer Schicksalsschlag: Ende 1945 wurde Fritz Eulitz sen.  von russischen Militärs ohne Angabe von Gründen  verhaftet, er  sah seine Familie nie wieder und starb 1947 in einem Internierungslager.

Fritz Wilhelm Eulitz (jun). schreibt dazu:  „Der Tod meines Vaters Fritz Eulitz (sen.) ist das tragischste Ereignis meiner Familie. Trotz seiner großbürgerlichen Vorbelastung (Oberstleutnant der Wehrmacht, Fabrik- und Rittergutsbesitzer) war er nach seiner Entlassung aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft im April 1945 ohne Vorbehalt nach Grünau zurückgekehrt, weil die Behörden erkannt hatten, dass er die Nazis nicht unterstützt oder mit ihnen sympathisiert hatte. Als Wehrbezirkskommandeur hatte er auch vielen Altkommunisten und Sozialisten geholfen. Als die russischen Besatzer kamen, änderte sich daran nichts. Im November besuchte er mich (Fritz Eulitz jun.) in München. Meine Schwester Gerta führte ihn schwarz über die Grenze. Ich hatte ihn bei seinem Besuch nicht überzeugen können, in München zu bleiben.  Er wollte seine Frau und Tochter nicht verlassen.  Bei seiner Rückkehr nach Sachsen wurde er verhaftet und kam ins KZ nach Mühlberg an der Elbe und ist dort 1947 (an TBC) gestorben

Nun mußte Tochter Gerta Eulitz die Firma in Grünau übernehmen, da Fritz Eulitz jun. in München arbeitete – am berühmten Lehrstuhl von Geheimrat Heinrich Wieland. Auf Anraten seines Vaters war Fritz Eulitz jun. nach Kriegsende im Westen geblieben und nur noch zu heimlichen Besuchen nach Hause zurückgekehrt.

Fritz Eulitz jun.
Gerta Eulitz 1943
Betriebsausflug Combustinwerk 1952

Gerta, eigentlich Gärtnerin mit eigener Gärtnerei in Scharfenstein, leitete die Firma in der DDR bis 1952. Dann wurde das Combustinwerk  zur Insolvenz gezwungen und geschlossen.

Unterdessen versuchte Fritz Eulitz, mittlerweile Diplomchemiker,  auch in seiner neuen Heimat Bayern Combustin herzustellen, zunächst unter dem Dach der Firma Hauser in München.

Prägend wurde in dieser Zeit  die Zusammenarbeit mit Dr. Robert Purrmann,  einem der beiden Gründer der Dentalfirma ESPE, den Fritz Eulitz jun. am Lehrstuhl von Geheimrat Wieland in München kennengelernt hatte und der ihm anbot, beim Aufbau der ESPE auf dem Seefelder Griesberg mit zu arbeiten. Fritz Eulitz wurde Personal- und Finanzchef, handelte Im Gegenzug aber aus, dass er in der ESPE auch für seine eigene Firma – Das Combustinwerk – produzieren konnte und gründete 1949 schließlich eine Dependance des Combustinwerks in Oberalting/Seefeld.

Fritz Eulitz jun. im Büro 1957

Bestellkarten

Ehefrau Barbara Eulitz und Schwester Brigitte beim Versand von Combustin-Präparaten in der heimischen Küche

Combustin spielte in der Erinnerung von Cornelia Eulitz-Satzger, Tochter von Fritz Eulitz, immer eine große Rolle. Die Salbe galt als Geheimwaffe gegen wunde Baby-Popos und entzündete Kuh-Euter.  So besuchte der Vater regelmäßig Hebammen-Kongresse und belieferte Bauern, die auf die Heilsalbe schworen. „Wir machen Combustin drauf“ war der tröstende Spruch in allen Notlagen und ist es auch heute noch bei Cornelias 6-jähriger Tochter Fanny, die nach ihrer Ur-Ur-Oma Fanny Eulitz benannt ist.

Cornelia Eulitz-Satzger erinnert sich daran, dass sie als Kind mit helfen durfte, die Präparate zu verpacken. Das geschah meistens am Küchentisch oder im Hobbykeller der Familie Eulitz. „Schachtelnmachen“ hieß die – zumindest bei der Tochter beliebte – Heimarbeit. Später beschränkte sich Fritz Eulitz auf den Vertrieb der Combustin-Präparate, die Schachteln verschwanden aus dem Haushalt.

Im Laufe der Jahre hatte es dann immer mal wieder Interessenten gegeben, die den Namen Combustin oder die Präparate der Firma kaufen wollten. Und Fritz Eulitz wollte, als er bei der Firma ESPE ausgeschieden war und auch noch eine Legislaturperiode als Bürgermeister drangehängt hatte, als Pensionär endlich seinen Neigungen nachgehen: Fußball, Pferderennen und Briefmarken.  So kam es 1989 dazu, dass Herr Galgenmüller Combustin übernahm.

Fritz Wilhelm Eulitz mit Ehefrau Barbara Eulitz

Fritz Eulitz sagte anläßlich der 90-Jahr-Feier 2009 in Biberach:

„Es war ein Glücksfall, dass ich Herrn Galgenmüller kennenlernte. Schon bei der ersten Begegnung sprang ein Sympathie-Funke über. Da sprach ein optimistischer, zukunftsgläubiger Unternehmer mit liebenswürdigem Verständnis für mein Alter und meine Verkaufsabsichten. Wir wurden uns schnell einig. So wanderte das Combustinwerk nach Biberach auf einem guten Wege.“

Fritz Wilhelm Eulitz. verstarb 2012 im Alter von 99 Jahren.